Ich möchte endlich Klavier spielen lernen. Ich weiß, dass ich dafür Unterricht nehmen und üben muss. Aber warum ist das so?
Wir Menschen lernen vor allem aus unseren Erfahrungen. Zum Beispiel haben wir gelernt, dass man Essen am Tisch zu sich nimmt und zum U-bahn fahren ein Ticket benötigt. Wir können sagen, dass wir diese Dinge gelernt haben, weil wir angemessene Antworten darauf erhalten haben: Wir ernten komische Blicke unserer Mitmenschen, wenn wir uns im Restaurant plötzlich auf den Boden setzen oder bekommen eine Geldstrafe, wenn wir beim Schwarzfahren erwischt werden. Lernen erfährt eine relativ dauerhafte Verhaltensänderung durch Erfahrung. Wir erleben Dinge und lernen unser Verhalten zu ändern, basierend auf dem, was wir wissen.
Wie funktioniert dieser Lernprozess im Gehirn?
Das Neuron ist der kleinste Baustein des Lernprozesses. Im menschlichen Gehirn gibt es 100 Milliarden Neuronen, unsere Nervenzellen. Diese stehen in ständiger Kommunikation zueinander. Um zu verstehen, wie Lernprozesse im Gehirn funktionieren, ist es zunächst wichtig, den Aufbau einer Gehirnzelle zu verstehen. In der Mitte eines Neurons befindet sich der Zellkern, welcher vom Zellkörper umschlossen wird. Vom Zellkörper gehen viele Fortsätze ab, die sogenannten Dendriten. Diese dienen überwiegend der Reizaufnahme. Ein Fortsatz ist viel länger als die Dendriten: das Axom. Das Axom endet in der verästelten Struktur der Synapsen.
Wie funktioniert die Informationsübertragung im Gehirn?
Nachdem wir jetzt den Aufbau einer Nervenzelle kennen, können wir uns der Informationsübertragung im Gehirn widmen. Zu Beginn nehmen die Dendriten elektrische Reize auf und leiten sie zum Zellkörper. Von dort gelangen die Reize über das Axom zum nächsten Neuron. An den Synapsen findet eine Umwandlung des elektrischen in einen chemischen Impuls statt. Hier strömen Kalzium-Ionen in die Prä-Synapse hinein. Kalzium-Ionen spielen in den Muskelzellen eine entscheidende Rolle: Wenn sie sich ansammeln, signalisieren sie den Muskelzellen, dass sie Arbeit zu verrichten haben und sich zusammenziehen sollen.
Dann bilden sich winzige Blässchen – die sogenannten Vesikel – und setzen Botenstoffe, wie z.B. Glutamat frei. Diese strömen über den synaptischen Spalt zur Postsynapse, wo sie sich an Glutamatrezeptoren bilden. Folglich strömt Natrium in die nächste Zelle. Der Impuls geht also wieder an einen Zellkörper und der gesamte Prozess wiederholt sich.
Langzeit-Potenzierung und Lernen
Nun aber zurück zu unserem Beispiel, dem Klavier spielen. Wenn wir üben entsteht ein Prozess, den man Langzeit-Potenzierung (kurz: LTP) nennt. Dabei wird dieselbe Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen wiederholt aktiviert. Normalerweise geben die Synapsen nur einen Bruchteil der Impulse an die nächste Zelle weiter. Wiederholt man denselben Vorgang allerdings öfter – zum Beispiel beim Üben einer Tonleiter am Klavier – tritt die Langzeit-Potenzierung auf. Diese sorgt dafür, dass immer mehr eingehende Reize an die nächste Zelle weitergegeben werden. Impulse werden zunehmend besser übertragen und die Postsynapse reagiert stärker. Die Rezeptoren nehmen hier in ihrer Zahl und Art eine wichtige Rolle ein. (1)
Bewegung verbessert die Lernfähigkeit
Wir empfehlen dir, dich entweder direkt beim Lernen oder in den Pausen zu bewegen. Auch vor oder nach dem Lernen ist Bewegung sinnvoll. Denn bei Kindern und Erwachsenen verbessert sich die Lernfähigkeit, wenn die motorischen Zentren des Gehirns aktiviert, der Stoffwechsel angeregt und das Gehirn mit Sauerstoff versorgt wird – all das passiert, wenn wir uns bewegen. Beim Klavier spielen und auch bei allen anderen Lernaufgaben, sollten wir zwischendurch z. B. einen Spaziergang machen oder ein paar Yoga Übungen, damit wir unsere Lernfähigkeit verbessern. (2)
Quellen:
(1) MaxPlanckSociety (2014): Synaptische Plastizität – wie das Gehirn lernt. Online unter https://www.youtube.com/watch?v=EGKTH60rvoU
(2) Carla Hannaford (2008): Bewegung – das Tor zum Lernen. VAK Verlag GmbH. Online unter http://www.vakverlag.de/leseproben/978-3-86731-027-7.pdf